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Presseartikel Operngala 24. März 2017

Benefiz mit Prominenz-Faktor

Der eine, Oberbürgermeister Peter Kurz, verzeichnet es als "typischen Mannheimer Abend", der die Bindungskräfte - auch des Richard-Wagner-Verbandes (RWV) - in der Stadt unter Beweis stelle. Der andere, Opernintendant Albrecht Puhlmann, befindet angesichts einer kuschelig übervollen Christuskirche mit rund 1000 Gästen: "Lieber warm und eng als kalt und einsam." Ja, der Zuspruch für diese Benefizgala zugunsten des Mannheimer "Parsifal"-Bühnenbilds ist überwältigend. Der Prominenz-Faktor ist kaum zu überbieten, gewissermaßen "tout Mannheim" ist da.

Zu danken ist das vor allem einer Person: Monika Kulczinski, Präsidentin des RWV. Bei einer Straßenbahnfahrt sei ihr die Idee gekommen, den "Parsifal" zu retten, berichtet Puhlmann, und weil Kulczinski ist, wie sie ist, nämlich zielstrebig, kann sie an diesem Abend guten Gewissens sagen: "Wir haben alles richtig gemacht." Wie viel Geld zusammengekommen ist, wird erst am 9. April im Nationaltheater beim Jubiläums-"Parsifal" bekanntgegeben. Dass hier immer die Sache und nicht die Personen im Zentrum stehen, macht alles nicht nur sympathisch, sondern die Dankesliste (nahezu) unendlich und schier unaufzählbar.

Und was ist das für eine imponierende Leistungsschau des NTM mit einem gut disponierten 60-köpfigen Orchester unter Kapellmeister Benjamin Reiners und einem hochkarätigen Solistenensemble! Ehrensache, dass Intendant Puhlmann es nicht mit einem Grußwort bewenden lässt, sondern den langen Abend auch locker moderiert. Der musikalische Auftakt, Ouvertüre und Gebet des Titelhelden aus Wagners frühem "Rienzi", weckt durchaus den Appetit, die Oper einmal wieder in Mannheim zu erleben. Dem genuin lyrischen Tenor Andreas Hermann sollte für das Wagner-Fach noch Einiges an Ausdrucksdramatik zuwachsen.

Schön, dass der musikalische Hausherr Johannes Michel für seine Intermezzi an der Marcussen-Orgel den von Wagner so schmählich behandelten Felix Mendelssohn Bartholdy ausgewählt hat! Er spielt zunächst eine eigene Bearbeitung der Ouvertüre zum Oratorium "Paulus", später mit gewohnter Meisterschaft Allegro, Choral und Fuge d-Moll. Auf Monika Kulczinskis ausdrücklichen Wunsch sollte nicht nur Musik von Richard Wagner erklingen. Estelle Kruger erfreut mit der Arie der Königin der Nacht "O zittre nicht" aus Mozarts "Zauberflöte" und vor allem mit der großen Belcanto-Arie "Ah, non credea mirarti" aus Vincenzo Bellinis "Sonnambula" durch ihren warmen timbrierten, perfekt sitzenden Koloratursopran.

Bekanntlich wird auch an der Mannheimer Oper die Originalsprache gepflegt. Umso begeisterter reagiert das Publikum, als Bariton Joachim Goltz, einziger Mannheimer im Ensemble, Leporellos Registerarie aus "Don Giovanni" auf Deutsch singt (und zwar hervorragend) und so die Zeile "aber in Monnem 231" anbringen kann.

Einen Ausflug in den vielgeliebten Verismo bescheren zwei Glanznummern aus Mascagnis "Cavalleria rusticana". Wahre Beifallsstürme erzielen das Orchester mit dem "Intermezzo sinfonico" und der Tenor Irakli Kakhidze mit dem furiosen "Abschied von der Mutter". Ein Ereignis auch Heike Wessels, die in Mannheim vom Mezzo zum dramatischen Sopran gereift ist. Mit leuchtenden Spitzentönen und tiefer Empfindung singt sie die Hallenarie aus "Tannhäuser" und zum Ausklang "Isoldes Liebestod".

Davor aber huldigten selbstredend auch Mannheims langgediente Bariton-Recken Thomas Berau und Kammersänger Thomas Jesatko [...] ihrem Idol, Berau mit dem "Lied an den Abendstern" aus "Tannhäuser" und Jesatko mit dem Fliedermonolog aus den "Meistersingern", wobei Reiners im Vorspiel wunderbar den Zauber der Johannisnacht malte. Dass Kammersänger Jesatko danach auch die Wagner-Stele 2017 überreicht wurde und Preisvorgänger und Laudator Johannes Michel eine überaus amüsante, vor Geist sprühende und tiefgehende Lobrede hielt, rundete diesen Festakt ab. Und der echte "Nürnberger Bub" Jesatko plauderte dabei munter aus dem NTM-Nähkästchen und bedankte sich bei den "Bürgern, die Einzigartiges fördern" - und im Falle von "Parsifal" retten, möchte man hinzufügen, denn Paul Walters im neu-bayreuther Stil gehaltenes Bühnenbild braucht dringend Hilfe, die jetzt - dank RWV - näher rückt.

 

(Stefan M. Dettlinger, Waltraud Brunst / Mannheimer Morgen, 27.03.2017)

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