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Presseartikel "Wagner-Verband Mannheim feiert Jubiläum in der Christuskirche" vom 5. August 2021

Wagner-Verband Mannheim feiert Jubiläum in der Christuskirche

Irgendwie passt es zu diesem Komponisten gar nicht schlecht, wenn das genaue Gründungsdatum eines Wagner-Ortsverbands im Legendären, mythisch Halbdunklen verbleibt. Doch irgendwann im Jahre 1911 muss es gewesen sein. Präziseres geben Archive, die danach zwei Weltkriege und manches andere zu überstehen hatten, heute nicht mehr her. Gewiss ist, dass das halbwegs runde Jubiläum einer 110. Gründungswiederkehr gefeiert werden muss, und zwar an einem „Ort von großer Ausstrahlung“, wie Monika Kulczinski sagt. Sie meint damit die Christuskirche.

Monika Kulczinski hat den Vorsitz inne im besonders großen und aktiven Wagner-Verband Mannheim-Kurpfalz, was an diesem Festtag wieder einmal deutlich wird: denn in der Christuskirche wird der „Tannhäuser“ gegeben. Wenn auch nicht als Hochamt, sondern in einer entschlackten „protestantischen“ Version – die ohne Chor und Sinfonieorchester auskommt und entlang der künstlerischen Schlüsselstellen Wagners Oper auf ein gutes Drittel des Gesamtumfangs zusammenstaucht.

Drei Vokalisten (selbstverständlich in den drei zentralen Rollen) werden von einem Klavier begleitet. Eine „große“ Aufführung wird daraus trotzdem. Und das liegt vor allem auch am Titelhelden, schließlich steht und fällt seit jeher der gesamte „Tannhäuser“ primär mit ihm. Ein Wagnerianer durch und durch ist dafür aufgeboten: Stefan Vinke.

Er wird nicht allein im hiesigen Verband als Ehrenmitglied aufgelistet, sondern ist ein überaus Bayreuth-erfahrener Tenor – der seit Corona sogar Wagner-Festspiele im Garten seines Hargesheimer Hauses zelebriert (wovon man sich auf YouTube überzeugen kann). Vinke hat sich ein Klein-Bayreuth im Nahetal geschaffen. In der Christuskirche lässt er keine Zweifel daran gelten, dass der Tannhäuser zu den am stärksten fordernden Partien im gesamten Opernkanon zählt – und dass er solchen Forderungen mit geballter heldentenoraler Wucht begegnet. So viel Stimm-Metall lag in der Christuskirche selten in der Luft.

Tannhäuser feiert den Exzess im Rausch wie auch in der Askese, er ist jener Held, „der nie und nirgends etwas nur ein wenig, sondern alles voll und ganz“ durchlebt. Während sein (Dichter-)Antipode Wolfram Ebenmaß und Hohe Minne predigt. Was er allerdings in Mannheim in Person des belgischen Bassbaritons Werner van Mechelen mit größter Suggestivkraft tut: balsamisch wohllautend. Bisweilen ist der Vortrag Mechelens so fein wie Liedgesang. Und immer nahe an einem germanischen „Belcanto“, wie ihn Wagner oft erträumt hat.

Auch Sabine Vinke als Elisabeth hat ihre magischen Momente, nicht nur in „Dich teure Halle grüß’ ich wieder“. Mag sie auch als Sopranistin deutlicher als die Kollegen von der Tatsache betroffen sein, dass Kirchenhall in Sachen Textverständlichkeit nie eine große Hilfe ist. Aber vor allem die entsagenden Momente lassen aufhorchen. Die Pianistin darf man keineswegs vergessen.

Die gebürtige Südafrikanerin Ansi Verwey hielt einst den Guinness-Weltrekord im Dauermusizieren am Klavier: fast 53 Stunden Bach und Wagner (was der Letztere vermutlich besser überstanden hat). Die Dame hat also viel Stehvermögen. Aber auch Persönlichkeit: Zum Ende hin scheint sich ihr Vortrag der Klavier-Dramatik von Franz Liszt zu nähern. Liszt hat ja den „Tannhäuser“ am Hoftheater Weimar 1849 erst so richtig durchgesetzt.

(Dr. Hans Günter Fischer / Mannheimer Morgen, 05.08.2021)

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