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Presseartikel des Mannheimer Morgen zum Liederabend am 14. Februar 2022

Nikola Hillebrand, Nikola Diskic und Marcelo Amaral umkreisen die Liebe

Etwas ist faul in dieser Galaxie der Liebe. Wie Planeten kreisen die Protagonisten zwar durch die Gefühlssphären um die Sonne herum (die hier in Wahrheit der Steinway von Marcelo Amaral ist), doch schnell scheinen die Umlaufbahnen nicht mehr kreisrund oder elliptisch zu verlaufen, scheint sich das Chaos und eine Ahnung Bahn zu brechen, die erst am Ende dieses wundervollen Abends Gewissheit wird: Nikola Hillebrand, hier gewissermaßen als singende Venus den Flügel umkreisend, hat in Wahrheit polygame, ja, nymphomane Neigungen, was final auch gesteht: „Ich hab’ in Penna einen Liebsten wohnen / in der Maremmeneb’ne einen andern, / Einen im schönen Hafen von Ancona …“ und so weiter und so fort. Eine Art Donna Giovanna singt hier ihre eigene Registerarie (lustig, dass mit „Là ci darem la mano“ später Don Giovanni in der Zugabe charmant kontert). Ganz am Schluss gesteht Hillebrand dann auch noch im wollüstigsten Sopranton oben auf dem zweigestrichenen A, in Castiglione gleich zehn Geliebte zu haben. Wer würde ihr nicht glauben! Die Frau kriegt den Hals nicht voll.

In diesem feurig-leuchtenden F-Dur-Schluss mit dem virtuosen Abgang rundet sich dieses unzüchtige Fest der Liebe zum Valentinstag zum Zyklus. Die Liedreihenfolge von Hugo Wolfs „Italienischem Liederbuch“ wurde hierfür geändert, zudem die Tenorpartie für Bariton Nikola Diskic tiefer gelegt. Das haben andere vor ihm auch schon getan: Hermann Prey. Dietrich Fischer-Dieskau.

46 Miniaturlieder hat Wolf hier nach den deutschen Übersetzungen von italienischen Liebesgedichten durch Paul Heyse vorgelegt (der zweite Band ist übrigens 1896 bei Heckel in Mannheim erschienen). Diskic, Hillebrand und Amaral lassen durch die Umorganisation ein Narrativ entstehen, in das viel interpretiert werden kann, in dem aber stets Kurzweil herrscht, Spannung entsteht.

Auf der Bühne: eine exzellente Ménage à trois. Amaral zeigt sich - wenn er nicht, wie an einem Moment des Abends, seine Noten sucht - als großartiger Pianist, der so virtuos spielt, wie er perfekt mit den Singenden atmet. Hillebrand hingegen hat, der Vergleich sei verziehen, als Liedsängerin mehr Farbe, Charakterisierung und Facetten zu bieten als Diskic, der sicherlich einen soliden Liederabend hinlegt, aber vielleicht etwas zu wenig riskiert bei der Charakterisierung des Textes. Über einen ganzen Abend von rund eineinhalb pausenlosen Stunden wirkt sein weiches und stets kultiviertes Timbre auf Dauer doch etwas monochrom.

Eine schöne Idee ist dieser Abend. An seinem Beginn wurde übrigens Stadtrat Achim Weizel, der sich nicht nur im Wagner-Verband, sondern an vielen Fronten für die Mannheimer Kultur einsetzt, von Wagnerverbandspräsidentin Monika Kulczinski die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Die Einnahmen dieses denkwürdigen Abends im Opernhaus kommen dem Bühnenbild des „Fliegende Holländer“ zugute, der am 24. April Premiere feiern soll. Zumindest die Umlaufbahnen von Kulczinski und Opernintendant Albrecht Puhlmann verlaufen also ordnungsgemäß: rund um eine enge Freundschaft herum.

(Stefan M. Dettlinger / Mannheimer Morgen 16.02.2022)

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