Get Adobe Flash player

Presseartikel Rheinpfalz zum Wohnzimmerkonzert am 12.03.2024

Begeisterung für die Bühne

Die Größe eines durchschnittlichen privaten Wohnzimmers übertrifft das Schatzkistl im Keller des Leonardo-Royal-Hotels an der Mannheimer Augustaanlage vermutlich doch. Bis zu 99 Besucher plus geräumiger Bar plus kleiner Bühne fassen wahrscheinlich die wenigsten Wohnräume. Einigermaßen dicht gedrängt sitzt man hier dennoch – und entscheidend ist vor allem die Atmosphäre. Ohnehin schummrig und intim, wurde dieses Flair nun noch um Auslegeware, Loriot-Sofa und eine passende Stehlampe auf der Bühne ergänzt. Gemütlich, heimelig oder „hygge“, wie man heute sagt, eben wie im heimischen Wohnzimmer.

Gleich zwei ausverkaufte Opern- und Operettenabende in diesem Stil gab es nun nacheinander, und am ersten wurde Peter Baltruschat von der Vorsitzenden des Wagner-Verbands, Monika Kulczinski, der Preis verliehen. „Damit möchten wir als Vorstand Menschen ehren, die sich um unseren Ortsverband verdient gemacht haben“, erläuterte in seiner Laudatio der stellvertretende Vorsitzende Alexander Wischniewski. Als „Möglichmacher“, der für die Kleinkunstbühne brennt, lobte er den Impresario.

Peter Baltruschat schenke seine ganze Kraft dem Schatzkistl und dem Verein KulturNetz Mannheim Rhein-Neckar, der auch Schauplätze wie das Mannheimer Capitol, das Mannheimer Stadt- und das Schlossfest bespielt und hinter Veranstaltungsreihen wie dem Seebühnenzauber im Luisenparkoder dem „wOrtwechsel – Kultur an außergewöhnlichen Orten“ steckt. „25 Jahre, 3000 Veranstaltungen mit rund 250.000 Gästen. Das kann sich sehen lassen“, pries der Wagner-Vorstand allein die Bilanz des Schatzkistl.

Der 1911 gegründete Verband widmet sich nicht nur der Pflege der Musik Richard Wagners, sondern auch darüber hinaus der Aufgabe, das kulturelle Leben in der Kurpfalz mitzugestalten und den künstlerischen Nachwuchs zu fördern. „Dies alles wäre nicht möglich, wenn wir ohne Unterstützung arbeiten müssten“, so Wischniewski. „In vielfältiger Weise“ habe der Geehrte „ganz unkompliziert und völlig unprätentiös geholfen, unsere Aufgaben zu erfüllen“. Sein Beitrag sei immens. Die Begeisterung für die Bühne sei ihm als Sohn des Tenors Max Baltruschat (1906 - 1988) gewiss bereits in die Wiege gelegt worden. Die Stele bekomme für ihn noch mehr Gewicht, entgegnete der elfte Preisträger der seit 2014 vergebenen Auszeichnung, weil sein Vater, der fast zwei Jahrzehnte lang zum Ensembledes Mannheimer Nationaltheaters  gehörte, selbst nicht zuletzt Wagner gesungen habe. Sie sei eine Ermutigung, weiter an dem Ziel zu arbeiten, mittels Musik Brücken zu bauen, gesellschaftliche Klüfte zu überwinden und Gemeinschaft zu stiften.

Das auf der Bühne eingerichtete Wohnzimmer bildete nicht nur die Kulisse für die Ehrung, sondern in erster Linie für das herausragende Rahmenprogramm. Alexander Wischniewski als humorvoller Moderator, der sich an Loriot orientierte, sowie aus dem Ensemble des Nationaltheaters die Pianistin Naomi Schmidt, der Bariton Joachim Goltz und die Mezzosopranistin Nadja Kaiserseder gaben sozusagen „Szenen einer Ehe“. Arien und Lieder von Johann Strauss über Mozart und natürlich Wagner bis Franz Lehár in sinniger Reihenfolge, nicht nur musikalisch, sondern auch komödiantisch bemerkenswert dargeboten. Und im Schatzkistl eben so nah, wie man Oper und Operette sonst nur auf den teuersten Plätzen erlebt. Große Oper im kleinen Haus. „Heirate oder heirate nicht, du wirst es bereuen“, gab Wischniewski ein Zitat von Oscar Wilde als Motto des Abends aus. Goltz, selbst 2020 mit der Wagner-Stele geehrt, ging mit Kaiserseder und dem „Zigeunerbaron“ daraufhin die Ehe ein, bevor sie alsbald Zylinder und Brautkleid ablegten und in Jogginghose und Bademantel schlüpften, sich, die Fernbedienung immer in Reichweite, entweder auf dem Sofa lümmelten oder in Streitigkeiten verloren. „Du fürchterliches Weib!“ sang Goltz'/Wagners Telramund da, bevor die beiden sich mit der „Gräfin Mariza“ von Emmerich Kálmán wieder versöhnten.

 

(Stefan Otto / Die Rheinpfalz / 14.03.2024)

 

Nächste Veranstaltung