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Presseartikel zum Rücktritt von Ilse Hannibal

Marschallin übergibt den Stab

"Professorchen, viel zu spät sind'se, nun aber husch, husch!" Für Mitglieder und Beobachter der alljährlichen adventlichen Mitgliederversammlung war es bisher ein stetes Vergnügen, wie Mannheims vorderste Wagnerianerin meritenreiche Honoratioren beim Zuspätkommen coram publico auf die Plätze verwies. 17 Uhr ist und war für pensionierte Musikfreunde eine gute, für Rechtsanwälte, Professoren, Intendanten und Journalisten keine berufsverträgliche Zeit. Abgehetzt ließen sie sich alle die Zurechtweisung gerne gefallen. Man weiß: Für Ilse Hannibal ist der Vorsitz Beruf und Berufung. Hier gilt's der Kunst des Meisters und der Sache des sein Werk und Gedächtnis pflegenden Verbandes.

Eine ernste Angelegenheit, die 45 Jahre lang keinerlei Aufschub duldete. Wer in Kaffeelaune zu viel schwätzt, wird mit der Glocke - und namentlich - zur Ordnung gerufen. Es gibt über die Vereinsregularien hinaus auch immer viel zu berichten: Von den jährlich zu den Bayreuther Festspielen entsandten Stipendiaten (das sind unter Hannibals Auswahl stolze 200 junge Künstler), von Konzerten und gemeinsamen Musikreisen, die Ilse Hannibal über vier Jahrzehnte mehrfach jährlich organisierte.

Nach Schwerin, nach Kassel, nach Petersburg, Baden-Baden, Luzern, Venedig oder Coburg. Wo war man nicht überall mit und unter der strengen Stabführung von Reisemarschallin Ilse Hannibal? Im Liszt-Haus, im Theater Bad Lauchstädt, bei den Siegfried-Wagner-Festspielen in Rudolstadt und auf der Wartburg. Man hat viel gesehen, gehört, gelernt. Museen, Kongresse, Theaterbesuche - und das zu einer Zeit, als Musikreisen eine selbst zu organisierende Rarität waren. Von der Bahnfahrt bis zur Tasse Kaffee, Organisationstalent Hannibal machte es möglich und gemütlich.

Die Arbeit, die Hannibal 1968 von Industriellenwitwe Helene Röchling übernahm, wurde der ausgebildeten Sängerin und Arztgattin nun Hauptberuf. Sie führte den Wagner-Verband in eine andere Zeit. "Über Künstlergagen sprach Frau Röchling nicht", lächelte Ilse Hannibal, "die zahlte sie aus eigener Tasche. Der Jahresbeitrag betrug für Mitglieder 5 Deutsche Mark." Es gab also viel zu tun. Die Umwandlung in einen eingetragenen Verein, die Einigung mit Ludwigshafen zum Ortsverband Mannheim-Kurpfalz zu werden, ohne Heidelberg zu verprellen, die Organisation einer Bundestagung (1975) - all das waren Großtaten, die die energiegeladene Pfarrerstochter mit Verve stemmte.

Darüber hinaus war Ilse Hannibal auch lange im Bundesverband tätig, wurde von Stadt und Bund mit verdienten Ehrenzeichen ausgestattet. "Mein lieber Schwan!" Ihr Engagement hat sich hier wie da gelohnt: Der Ausbau des zwischenzeitlich knapp 800, nun 660 Mitglieder starken Ortsverbandes zum zweitgrößten nach Bayreuth ist eine organisatorische wie kommunikative Meister(singer)leistung. "Ich kenne meine Pappenheimer", sagt sie und meint, dass ihre Aktivitäten im Konzert- und Kulturgeschehen der Stadt höchst notwendig sind, um einen Verein dieser Größe zusammenzuhalten und zu (re)präsentieren.

Man übertreibt nicht, wenn man von einer wohl einzigartigen Mitgliederbetreuung spricht. Ihre mit der nun schon berühmten grünen Tinte handgeschriebenenen, oft mehrseitigen persönlichen Briefe haben sie, die nun aus Altersgründen zurücktritt, Tausende von Stunden gekostet. Wer so viel einbringt, nämlich mehr als sein halbes Leben, erwartet auch viel. Und hat sehr genaue Vorstellungen, wie der Wagner-Hase zu laufen hat. Freilich war es daher manchmal nicht unbedingt schwer, bei der meinungs- und durchsetzungsstarken Altistin anzuecken. Es war vielleicht nicht immer leicht, aber immer zum Wohle des Verbandes.

Die bewundernswerte Energie verläuft nun, mit beinahe 88 Jahren, naturgemäß in ruhigeren Bahnen. "Jetzt geht vieles langsamer, aber es geht - und altersentsprechend geht es mir gut."

Ihren Humor, angereichert mit einer Portion Milde, hat sich die in Eisenach und Kassel Aufgewachsene, die längst ein geschätztes Mannheimer Original ist, erfolgreich bewahrt. Nach der umfassenden Einarbeitung ihrer Nachfolgerin Monika Kulczinski, tritt sie nun am 22. Januar von ihrem Vorsitz zurück - natürlich im "Steigenberger" und natürlich mit viel Musik und Prominenz. "Nun sei bedankt!" (Ralf-Carl Langhals / Mannheimer Morgen, 18.01.2014)

 

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